Nachdem uns die Corona-Pandemie nun bereits mehr als ein Jahr in allen beruflichen und privaten Bereichen massiv beeinträchtigt, war es nur eine Frage der Zeit, bis erste Gerichtsurteile auch zu Entschädigungsansprüchen im Bereich des immateriellen Schadensersatzes vorgelegt wurden.
Der Kläger sah sich insofern deshalb diskriminiert, da er – trotz Vorlage eines Attestes, aus dem hervorging, dass er aufgrund eines Machtmissbrauchs in der Kindheit keine Maske trägen müsse, da bei ihm durch Zwang und Willkür Ängste ausgelöst würden.
Zutreffend sah das AG Bremen jedoch im Verhalten der Beklagten – eines Betreibers von Bio-Supermärkten – bzw. dessen Filialleiterin keine Diskriminierung. Nach Ansicht des erkennenden Gerichts ist insofern weder das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz noch eine Benachteiligung des Klägers wegen einer „Behinderung“ einschlägig. Hierzu führt das AG aus: Auf die Frage, ob es dem Kläger aus gesundheitlichen Gründen tatsächlich unzumutbar war, während seines Einkaufs – für kurze Zeit – eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, kommt es nicht an. Es kann dahinstehen, ob das unbegründete Attest (darf aus medizinischen Gründen keinen Mund-/Nasenschutz tragen) des Facharztes für Psychosomatische Erkrankungen, Dr. L…, vom 22.5.2020 inhaltlich zutreffend ist. Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass ein Arzt als Privatperson einzelnen Patienten keine Sonderrechte im Umgang mit anderen Bürgern zu gewähren vermag. Nach § 1 AGG wäre eine Diskriminierung des Klägers Anspruchsvoraussetzung; in Betracht kommt eine Benachteiligung des Klägers wegen einer „Behinderung“ im Sinne der Vorschrift (hierzu: Palandt, 80. A., § 1 AGG, Rn. 6 m. w. N.). Eine Behinderung sah das AG jedoch zutreffend als nicht vorliegend an und begründete dies wie folgt: Auch scheint der Kläger primär auf die Thematik Zwang und Willkür zu reagieren. Zulässigen Zwängen sind Bürger in einer sozialen Gesellschaft aber in vielfältiger Weise ausgesetzt, weil ein geordnetes Zusammenleben andernfalls unmöglich wäre. Folglich liegt mangels Behinderung auch keine diskriminierende Handlung vor. Denn der Kläger wurde nicht deshalb angesprochen, weil er behindert bzw. psychisch beeinträchtigt wäre und derartige Personen im Ladengeschäft der Beklagten nicht erwünscht seien; die Anfrage hatte somit keinen herabwürdigenden Inhalt. Vielmehr sprach die Kassiererin den Kläger an, weil er die behördlich angeordnete Maske nicht trug. Die Aktion der Beklagten bzw. ihres Personals erfolgte also nicht bezogen auf das Sein des Klägers, bzw. dessen Person an sich (Art. 1, 3 GG), sondern als sachgerechte Reaktion auf eine (verbotene) Handlung des Klägers, nämlich das Betreten und Verweilen im Ladengeschäft der Beklagten ohne Maske.
Anmerkung: Zu dieser sehr begrüßenswerten Entscheidung anzumerken ist, dass der Begriff der Diskriminierung und eine solche als Argument für vielfältige Freibriefe oder Bevorzugungen immer häufiger ins Feld geführt werden. Dabei wird häufig ein nicht erfüllter Wunsch oder eine erwartete bevorzugte – aber nicht gewährte – Vorzugsbehandlung bereits als Diskriminierung angesehen. Dabei muss – worauf niemand geringeres als Amnesty International (siehe Amnesty International, Schweizer Sektion, Bern) zutreffend hinweist – damit … eine Handlung eine Diskriminierung darstellt, .sie sich auf ein unrechtmässiges Merkmal beziehen: Ethnizität, Religion, nationale oder soziale Herkunft, Sprache, physisches Äusseres, Abstammung, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Alter oder Behinderung. Weiter muss sich die nachteilige Behandlung, die sich auf ein unrechtmässiges Merkmal stützt, einer objektiven und adäquaten Rechtfertigung entbehren. Liegt der Handlung also ein legitimes Ziel zugrunde, wie zum Beispiel der Schutz der Gesundheit oder der Öffentlichkeit – und ist die Handlung verhältnismässig, so fehlt ihr das diskriminierende Element, so Amnesty International, Schweizer Sektion, Bern.
Das AG Braunschweig sah darin zutreffend eine nicht mehr als Bagatellverletzung anzusehende Körperverletzung, da sich der Vorfall im April 2020 und somit in der ersten Hochphase der Corona-Pandemie ereignet hatte. Nach Auffassung des Gerichts habe eine hohe Gefahr einer Infektion mit einer möglicherweise schweren bis potenziell tödlich verlaufenden Krankheit (Corona) bestanden.
Anmerkung: Aufgrund der möglichen schweren (Spät-)Folgen für zahlreiche Organe stellt bereits die Infektion selbst mit dem Virus SARS-CoV-2 eine Gesundheits- und Körperverletzung im Sinne des § 823 I BGB (sowie – worauf nachfolgend jedoch nicht näher eingegangen wird – auch gemäß § 823 II und nach § 826 BGB) dar und kann – wie das AG Braunschweig zutreffend festgestellt hatte – einen Schmerzensgeldanspruch begründen.
Selbstverständlich muss man insofern zwischen einem Ansteckungsverhalten, das im Einzelfall nicht steuerbar war, wie beispielsweise reflexartiges Niesen oder Husten, das somit nicht als Handlung qualifiziert werden kann und bewussten eine Ansteckung auslösenden Handlungen unterscheiden.
Bei ersteren ist jedoch auch zu berücksichtigen, ob sich der Überträger in eine Situation begeben hat, in der die Möglichkeit zur Ansteckung anderer bestand. Dies kann beispielsweise auch das Versäumen einer Verkehrspflicht (z.B. in Bezug auf die Inhaber oder Betreiber von Geschäften, Arztpraxen oder Restaurants gegenüber ihren Besuchern oder Kunden, Arbeitgeber gegenüber ihren Mitarbeitern etc.). Zu den Verkehrspflichten insofern gehört es, alle gesetzlich vorgegebenen sowie zudem alle notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um Besucher, Kunden und Mitarbeitende vor einer Infizierung und damit vor Körper- und Gesundheitsschäden zu bewahren.
Eine ganz entscheidende Klippe bei der Geltendmachung von Schmerzensgeldansprüchen auf der Grundlage einer Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 bildet jedoch die Frage der haftungsbegründenden Kausalität. Denn nur, wenn dem Infizierten der Vollbeweis gelingt, dass der Überträger oder Verkehrssicherungspflichtige zumindest äquivalent-kausal für seinen Schaden verantwortlich ist, können daraus Ansprüche abgeleitet und begründet werden. Bei einem hochansteckenden und durch unterschiedlichste Methoden übertragbaren Virus besteht nämlich nahezu wie immer die Möglichkeit, dass eine Infektion durch andere Ursachen als das Verhalten des tatsächlich oder vermeintlich Spreaders ausgelöst wurde. Eine Beweiserleichterung über den Weg des Anscheinsbeweises würde insofern voraussetzen, dass die vom potenziellen Schädiger vorgenommene Handlung typischerweise bzw. mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit zu einer Infektion führt. Insofern liegen jedoch – anders als in Bezug auf die Infektion mit dem HI-Virus (Aids) – vergleiche hierzu BGH NJW 2005, 2614) – bislang noch keine Urteile vor.
Sofern es gelingt, die Klippe einer äquivalenter Kausalität zu überqueren, müsste sodann auch die Adäquanz insofern geklärt bzw. nachgewiesen werden, dass die Rechtsgutsverletzung nicht nur auf einem ganz unwahrscheinlichen Kausalverlauf beruht wobei die Rechtsprechung hieran – mit Blick auf die Rechtsprechung zu Impfschäden; vgl. bereits BGH NJW 1955, 1876 in Bezug auf einen Impfschaden im Zusammenhang mit einer Typhus-Impfung – keine allzu hohen Anforderungen stellt.
Schließlich muss sodann noch die Rechtwidrigkeit sowie das Verschulden des Spreaders oder des Verkehrssicherungspflichtigen nachgewiesen werden. Insofern können und müssen auch die jeweils regional geltenden Gesetze und Verordnungen zur Verhinderung der Ausbreitung des Virus mit einbezogen werden, denn bei diesen ist anzunehmen, dass sie die objektiv im Verkehr erforderliche Sorgfalt festlegen, die für die Verkehrsteilnehmenden auch regelmäßig erkennbar und realisierbar sind wobei dabei zwischen Personen zu differenzieren ist, die wissen, dass sie selbst bereits infiziert sind und solchen, die hiervon keine Kenntnis haben (können).
Fazit: Insgesamt lässt sich somit eine Haftung einer Privatperson für die Infektion mit dem Corona-Virus nur außerordentlich schwer nachweisen und so begründen, dass sich hieraus konkrete Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche ableiten lassen. Dies ist aber – wenn der Hinweis gestattet ist – durchaus auch nicht negativ, da andernfalls die Gefahr sehr groß wäre, dass es bundesweit in der Bevölkerung untereinander zu einer massiven Klagehäufung und damit einhergehend auch zu einer ggf. nicht ganz unerheblichen Beeinträchtigung des Rechtsfriedens käme. Letzteres ist momentan – angesichts der bereits pandemiebedingt blank liegenden Nerven innerhalb unserer Gesellschaft – alles andere als hilfreich. Vielmehr ist der Staat gefordert, endlich konsequent für die richtigen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie und somit zur Beschaffung ausreichender Mengen an Impfstoff und deren schnellerer Verabreichung zu sorgen.
Andreas Slizyk
Rechtsanwalt
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