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2. Februar 2022

Kein Schmerzensgeld für häusliche Quarantäne nach positivem Corona-Test

3j. Kind erhält kein Schmerzensgeld, wenn in der Kita-Gruppe ein anderes Kind an Corona erkrankt ist - LG Köln, Urt. v. 26.10.2021 – 5 O 117/21, COVuR 2022, 86

Sachverhalt

Die dreijährige Klägerin, vertreten durch ihre Eltern - besuchte eine Kindertagesstätte (Kita). Nachdem dort bei einem anderen Kindes in ihrer Kita-Gruppe Corona festgestellt worden war (positiver Test), ordnete das Gesundheitsamt der Stadt Köln gegenüber der Klägerin im März 2021 eine 12-tägige häusliche Quarantäne an. Die Eltern der Dreijährigen trugen vor, das Kind habe durch diese Maßnahme posttraumatische Belastungsstörungen und psychische Schäden in Form von Schlafstörungen erlitten und sei während der Ausgrenzung aggressiver geworden und forderten deshalb für das Kind 3.000 Euro Schmerzensgeld.

 

Rechtliche Wertung

Die Klage zum LG Köln eingereichte Klage wurde mit Uretil vom 26.10.2021 - 5 O 117/21 abgewiesen. Für einen Schmerzensgeldanspruch aus § 839 BGB iVm Art. 34 Abs. 1 S. 1 GG iVm. § 253 Abs. 2 BGB - so das LG - fehle es bereits an der dafür erforderlichen Amtspflichtverletzung. Die Stadt Köln habe sich bei der Anordnung an die Richtlinien des RKI gehalten und die Klägerin zutreffend als „Ansteckungsverdächtige“ eingestuft, da sie innerhalb ihrer Kita-Gruppe Kontakt zu einer nachgewiesenermaßen infizierten Person hatte. Eine solche Quarantäne stelle auch keinen Verstoß gegen den Richtervorbehalt im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG dar, da es sich hierbei um eine Absonderung gemäß § 30 IfSG handele, die keinen Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Bewegungsfreiheit darstelle. Die Maßnahme sei zudem sowohl ermessensfehlerfrei als auch verhältnismäßig gewesen, da sich das Kind während der Quarantäne in der gewohnten Umgebung mit seinen Eltern als Vertrauenspersonen befand.

Praxishinweise

Selbst wenn man zugunsten der Klägerin von einer Rechtsgutsverletzung im Sinne von § 253 Abs. 2 BGB ausgegangen wäre, würde dies nicht automatisch zur Bejahung eines Schmerzensgeldanspruchs führen (Slizyk Schmerzensgeld 2022 Rn. 266). Darauf hat jüngst auch das LG Hannover (BeckRS 2021, 23341) hingewiesen. Es entspricht nicht der Billigkeit, für jede erlittene Beeinträchtigung ein Schmerzensgeld zuzuerkennen (BGH NJW 1992, 1043). Auch der Vortrag die dreijährige Klägerin habe eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten, verfängt nicht. Der bei Schmerzensgeldklagen inzwischen teilweise inflationär eingesetzte Begriff einer PTBS setzt nach anerkannter medizinischer Definition (ICD10: F43.1) eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß voraus, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. (BGH BeckRS 2015, 5264; BGH BeckRS 2012, 16258; vgl. auch Slizyk Schmerzensgeld 2022 Rn. 289 mwN). Davon konnte im Falle der Dreijährigen keine Rede sein.

Abschließend sei noch auf ein – sich ebenfalls mit Schmerzensgeldansprüchen in Bezug auf Coronamaßnahmen, diesmal zur Maskenpflicht – befassendes Urteil des AG Bremen (BeckRS 2021, 5720) hingewiesen: Dort trug der Kläger vor, durch die Maskenpflicht iSd. § 1 AGG diskriminiert worden zu sein, da er aufgrund eines „Machtmissbrauchs in der Kindheit“ an Ängsten leide und keine Masken tragen könne. Das AG wies die Klage ab und führt zutreffend aus: „Zulässigen Zwängen sind Bürger in einer sozialen Gesellschaft aber in vielfältiger Weise ausgesetzt, weil ein geordnetes Zusammenleben andernfalls unmöglich wäre. Zugespitzt formuliert: Eine durch staatlichen Zwang bewirkte - und entsprechend attestierte - Angststörung entbindet den Betroffenen auch nicht von den Einschränkungen, welche die Regeln des Straßenverkehrs für die Freiheit des Einzelnen tagtäglich bedeuten. Denn die unbeschränkte Freiheit des Einzelnen darf berechtigterweise dort enden, wo sie mit der Freiheit des anderen in Konflikt gerät. Die Einzelheiten regelt der demokratisch legitimierte Gesetzgeber“.

Andreas Slizyk

Rechtsanwalt

 

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