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18. Januar 2016

Ruf nach Verschärfung des Sexualstrafrechts fordert auch Blick auf die Handhabung der Zivilgerichte im Umgang mit Schmerzensgeldansprüchen der Opfer.

Es ist ein Skandal! Nach wie vor bewegen sich Schmerzensgeldbeträge, die Missbrauchs- und Vergewaltigungsopfern zugesprochen werden, meist nur zwischen 2.500 € und 10.000 €.
Ganz aktuell berichten die Medien http://www.sueddeutsche.de/bayern/regensburg-ratzinger-will-nichts-von-missbrauch-bei-domspatzen-gehoert-haben-1.2812395 sowie unter anderem http://www.heute.de/regensburger-domspatzen-missbrauchsfaelle über die massiven Missbrauchsfälle der berühmten Chorknaben, von denen „mindestens 231…misshandelt…und 50 auch Opfer sexueller Gewalt“ wurden (so berichtet die Süddeutsche) und denen die Kirche (bzw. das für die Regensburger Domspatzen zuständige Regensburger Bistum der katholischen Kirche) gerade einmal 2.500 € „als symbolische Anerkennung des Leids“ zusprechen will.

Für eine – vom LG Flensburg (Urteil vom 29.1.1999, NJW 1999, 1640) selbst – als „brutal“ bezeichnete mehrfache Vergewaltigung, erhielt das Opfer nur 6.136 € (damals 12.000 DM) und auch für einen „schweren sexuellen Missbrauch“ eines 11jährigen Jungen sprach das OLG Hamm (Urteil vom 28.3.2014, BeckRS 2014,08892) lediglich 10.000 € zu.
Nur wenige Gerichte haben in der Vergangenheit und stets auch nur wegen der extremsten Fallkonstellationen und bleibenden psychischen Schäden Schmerzensgeldbeträge zwischen 25.000 € und 50.000 € zugesprochen.
[Diese und einige weitere Urteile finden Sie in meinem Buch, Beck`sche Schmerzensgeldtabelle 2016, Praxisorientierte Kommentierung des Schmerzensgeldrechts im Kapitel C.15 – die oben mit Rn …. angegebenen Fundstellen finden Sie dort auf den Seiten 952 und 953]

Erstmals vor drei Jahren durchbrach ein Gericht in Deutschland (LG Wuppertal, Urteil vom 05.02.2013 – 16 O 95/12) diese ebenso bedauerliche wie auch inakzeptable Praxis und sprach einem 10jährigen Mädchen, welches vom Täter „als jederzeit verfügbares, weitgehend wehrloses Sexualobjekt“ angesehen und mehrfach vergewaltigt wurde, ein Schmerzensgeld von 100.000 € zu. In seiner Urteilsbegründung übernahm - wortgleich und mit Verweis hierauf – das Landgericht die von mir bereits seit Jahren publizierte Meinung, wonach es – „schmerzensgeldrechtlich betrachtet – keinen Unterschied machen [kann], ob dem Opfer eines Verkehrsunfalles die Fortführung seines bisherigen Lebens infolge einer z.B. Paraplegie (= Querschnittlähmung der unteren Gliedmaßen) unmöglich gemacht wurde oder ob dem Opfer einer Vergewaltigung infolge der hieraus resultierenden, gravierenden psychischen Schäden, ein Weiterleben wie vor der Tat unmöglich gemacht wurde und es sich im schlimmsten (aber nicht seltenen!) Falle dauerhaft in psychotherapeutischer Behandlung befindet und privat und beruflich nicht mehr an das Leben vor der Tat anknüpfen kann.“  
[Beck`sche Schmerzensgeldtabelle 2016, Praxisorientierte Kommentierung des Schmerzensgeldrechts, Kapitel VII. 8. Rn 311]. 

Leider steht das LG Wuppertal mit diesem – nahezu unbeachteten Urteil – sozusagen alleine auf weiter Flur, denn bislang hält sich die Praxis, wonach es selbst für massive Missbrauchsfälle bzw. deren Opfer nur entwürdigend geringe Schmerzensgeldbeträge gibt. 

Eine Verschärfung des Sexualstrafrechts, wie es derzeit vom Bundeminister der Justiz, Heiko Maas, auf den Weg gebracht wird, ist sicher lange überfällig; es bleibt zu hoffen, dass dabei auch die insofern völlig unzureichenden Verjährungsvorschriften endlich neu gefasst werden!

Im Zivilrecht würde es den Opfern jedoch bereits helfen, wenn die Gerichte die ihnen gebotenen Möglichkeiten deutlich weiter als bisher ausnutzen würden. Hier sind Kolleginnen und Kollegen der Anwaltschaft ebenso gefordert wie die Gerichte sowie die Institutionen, - wie z.B. - im Falle der Regensburger Domspatzen – die Kirche. 

Abschließend sei noch der Hinweis erlaubt, dass bereits die sich über die Jahre herausgebildete und leider etablierte Begrifflichkeit des „Missbrauchs“ den wahren Sachverhalt der stets ausgeübten physischen und insbesondere auch psychischen Gewalt verharmlost. 
Missbrauch ist nämlich zunächst ein rein materieller Begriff und insofern der Gegensatz des Gebrauchs. Einen Menschen zu „gebrauchen“ verbietet sich jedoch ebenso wie diesen zu „missbrauchen“. Man sollte somit die Wortwahl überdenken und sachverhaltsgerecht ändern denn jeder Missbrauch ist letztlich immer eine Art von Gewalt!

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