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23. Januar 2024

Unfälle bei Gastflügen mit Hobbypiloten...

... und was Sie - nicht nur rechtlich - dazu wissen und dabei beachten sollten.

Bald beginnt wieder die Flugsaison für alle Hobbypiloten und Pilotinnen. Auf rund 660 Flugplätzen (davon 158 Verkehrslandeplätze, 258 Sonderlandeplätze und 246 Segelfluggelände) starten und landen diese sodann erneut und nehmen dabei gerne auch Gäste mit. Gerade an Wochenenden bieten fast alle Flugvereine sogenannte Gastflüge an, bei denen jeder gegen ein, meist von der Flugdauer abhängiges, Entgelt einen Rund- oder Streckenflug oder einen Tandemsprung  oder eine Ballonfahrt mit mehr oder weniger erfahrenen Piloten, Ballonfahrern oder Fallschirmspringern unternehmen kann.

Kommt es im Rahmen eines solchen Gastfluges (bei Ballonfahrten spricht man insofern von Fahrgästen) jedoch zu einer Verletzung des Gastes bzw. Passagiers, so bestimmt sich die Haftung grundsätzlich nach den §§ 44 ff. LuftVG, es sei denn, es handelte sich bei dem Flug um eine reine Gefälligkeit oder außervertragliche Beförderung.

Extrem nachteilig für das Unfallopfer bzw. den Gast bei derartigen Gastflügen, Ballonfahrten oder Fallschirmsprüngen oder – wie in dem Fall, den 2022 das LG Köln  entschieden hatte, mit einem Gleitschirm – ist dabei stets die Haftungsbegrenzung des § 45 Abs. 2 Nr. 1 LuftVG, der die Haftung des Flugzeugführers/Luftfrachtführers und „seiner Leute“ – so der Gesetzeswortlaut § 45 Abs. 2 Ziffer 1 – auf einen Betrag von 128.821 Rechnungseinheiten, deren Umrechnung gemäß § 49b LuftVG erfolgt und derzeit ca. 163.000 EUR beträgt, begrenzt, sofern diesem der Entlastungsbeweis gelingt, dass der Unfall nicht durch sein Verschulden oder das „seiner Leute“ herbeigeführt worden ist. Dabei kann – so der BGH –,  sofern sich „der Gegner eines Anspruchs aus § 45 I LuftVG“ auf das Eingreifen der Haftungsbeschränkung aus § 45 Abs. 2 LuftVG beruft, ihm dabei nicht verwehrt werden, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Punkte zu verlangen, über die er kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann.  „Der Anspruchsgegner ist deshalb grundsätzlich nicht gehindert, den von ihm nur vermuteten technischen Defekt zu behaupten und unter Sachverständigenbeweis zu stellen. Darin liegt weder eine Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht noch ein unzulässiger Ausforschungsbeweis“.  Das Berufungsgericht habe, so der BGH, daher die an eine hinreichende Substantiierung des dem Beklagten obliegenden Entlastungsbeweises nach § 45 Abs. 2 1 Nr. 1 LuftVG zu stellenden Anforderungen überspannt und den vom Beklagten angebotenen Sachverständigenbeweis zu Unrecht nicht erhoben, weshalb die Sache an das OLG Hamm als Berufungsgericht zurückverwiesen worden war.

Der verletzte Fluggast oder seine Hinterbliebenen haben es in solchen Fällen bezüglich der „Gegner eines Anspruchs aus § 45 Abs. 1 LuftVG“ – neben dem Piloten meist zudem den jeweiligen Flugverein als Flugzeughalter sowie (wenn auch ohne Direktanspruch) im Hintergrund deren Haftpflichtversicherer – mit meist starken Kontrahenten zu tun, die mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln eine Inanspruchnahme verhindern wollen und dabei in aller Regel einen vermuteten technischen Defekt behaupten und unter Sachverständigenbeweis stellen werden, der nicht durch sein rechtswidriges und schuldhaftes Handeln oder Unterlassen oder das rechtswidrige und schuldhafte Handeln oder Unterlassen seiner Leute verursacht wurde (vgl. § 45 Abs. 2 Nr. 1 LuftVG).

Aus diesem Grunde ist in solchen, meist tragischen, Fällen unbedingt erforderlich, sich umgehend an einen auf Flugunfälle spezialisierten Rechtsanwalt zu wenden und über diesen veranlasst stets sofort – idealer Weise unmittelbar nach dem Unfall – die technische Ursache des Unfalls durch einen insofern geeigneten Sachverständigen ermitteln zu lassen, denn gerade bei Gastflügen, die von Fliegerclubs oder Flugvereinen oft am Wochenende angeboten werden, sind häufig weder die Fluggerätewartung noch der Umgang mit dem Fluggerät ausreichend dokumentiert, weshalb stets das Handbuch, Flugbuch, die Checkliste zur Vorflugkontrolle etc. einzusehen und fachkundig auszuwerten sind.

Nur mittels eines erfahrenen Sachverständigen kann es jedoch gelingen, den Entlastungsbeweis des Flugzeugführers/Luftfrachtführers und „seiner Leute“, wozu auch die für den Flugbetrieb und die Flugzeugwartung zuständigen Vereinsmitglieder zählen, zu durchbrechen und damit den Weg frei zu machen, materielle Ansprüche sowie ein angemessenes Schmerzensgeld durchsetzen zu können, die in ihrer Summe ansonsten auf 128.821 Rechnungseinheiten bzw. umgerechnet ca. 163.000 EUR begrenzt sind, was oftmals weder für ein angemessenes Schmerzensgeld noch die daneben stets relevanten materiellen Ansprüche ausreicht.

Häufig filmen oder fotografieren bei derartigen Gastflügen die am Boden zurückbleibenden Angehörigen sowie die Fluggäste die Flugvorbereitungen, den Start und den Flug und damit (ungewollt) auch den Flugunfall mit ihren Smartphones; da dabei automatisch auch die Aufnahmezeiten auf die Zehntelsekunde genau aufgezeichnet werden, helfen diese Fotodokumentationen einem Sachverständigen bei der Rekonstruktion des Ablaufs des Fluges sowie des Zeitpunkts der aufgetretenen Probleme, die ggf. zum Absturz oder der Bruchlandung geführt hatten. Derartige Fotos oder Videos sollten daher unverzüglich dem eigenen Rechtsanwalt und dem von diesem beauftragten Fachsachverständigen überlassen werden.

Aus den vorbenannten Gründen sind derartige sog. Gastflüge stets nur mit besonders erfahrenen Piloten und nur mit gut gewarteten Fluggeräten vorzunehmen; bei geringsten Zweifeln insofern sollte man nicht mitfliegen.

Andreas Slizyk

Rechtsanwalt und ehem. Hobbypilot

 

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